Die Geschichte der Aufstriche: Wie der Zucker alles veränderte

Ein Artikel von Christiane Bartal | 27.12.2024 - 13:16
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Die ersten Aufstriche in der Menschheitsgeschichte, bestehend aus pürierten Hülsenfrüchten, Kräutern und Ölen, hatten wohl Ähnlichkeit mit dem noch heute beliebten Hummus © Miguel Tamayo Fotografia/Shutterstock

Aufstriche begleiten die Menschheit schon seit Jahrtausenden. Im Laufe der Geschichte entwickelten sich in verschiedenen Kulturen zahlreiche Varianten, die uns bis heute begleiten. Mithilfe der streichfähigen Pasten konnten Zutaten haltbar gemacht und Reste verwertet werden.

Antike Ursprünge: Oliven, Hülsenfrüchte und Honig

Bereits in der Antike wurden einfache Aufstriche genutzt. Im Alten Ägypten und Mesopotamien (ca. 3000 v. Chr.) waren pürierte Hülsenfrüchte, Kräuter und Öle üblich, die heutigen Bohnenpasten oder Hummus ähnelten. Auch Honig, der in diesen Regionen reichlich vorhanden war, diente als süßer Aufstrich.

Die Griechen und Römer verfeinerten diese Traditionen: Olivenpasten, Käsemischungen mit Kräutern und fermentierte Fischpasten wie Garum waren beliebte Begleiter zu Brot. Diese Aufstriche boten nicht nur Geschmack, sondern auch wertvolle Nährstoffe. Ausgrabungen im Jahr 1937 förderten in Tongefäßen Rückstände von Zwetschgenmus in Verbindung mit Zuckerrohr zutage, was als Vorläufer der heutigen Marmelade gilt.

Mittelalter: Butter, Marmeladen und exotische Aromen

Im europäischen Mittelalter gewannen Aufstriche wie gesalzene oder gesüßte Butter an Bedeutung, besonders in Nord- und Mitteleuropa, wo Butter ein Grundnahrungsmittel war. Süße Aufstriche aus eingekochten Früchten, Vorläufer moderner Marmeladen, entstanden als eine Möglichkeit, Obst durch Zucker haltbar zu machen.

Im Nahen Osten florierten gleichzeitig herzhafte Aufstriche: Tahini (Sesampaste) war weit verbreitet und wurde häufig als Basis für weitere Kombinationen genutzt. Beliebte Rezepte wie Muhammara (eine Walnuss-Paprika-Paste) oder Baba Ghanoush (Auberginenpaste) setzten geschmackliche Akzente, die bis heute bekannt sind.

Neuzeit: Zucker, Konserven und neue Techniken

Mit der europäischen Kolonialzeit und der Verfügbarkeit von Zucker sowie exotischen Früchten wurden Marmeladen und Gelees im 17. Jh. zunehmend populär. Samuel Pepys erwähnte 1669 in seinem Tagebuch Marmelade aus Orangen. Das älteste nachgewiesene britische Rezept für Marmelade aus Bitterorangen stammt aus dem Jahr 1677. Neue Verfahren zur Verarbeitung von Milch führten zudem zur Herstellung von Käseaufstrichen und dickeren Buttersorten.

Die industrielle Revolution brachte einen weiteren Wandel: Konservierungsmethoden wie das Einmachen in Gläsern machten Aufstriche länger haltbar und leichter transportierbar. Auch Schokoladenaufstriche, die aus Kakao und Nussmus hergestellt wurden, entstanden in dieser Zeit und entwickelten sich zu einem Luxusprodukt.

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Vegemite und Marmite bestehen beide aus konzentriertem Hefeextrakt. Die Aufstriche haben u. a. in Australien und Großbritannien Kultstatus, für unseren Gaumen erscheinen sie extrem würzig und salzig © Ermak Oksana/Shutterstock

Moderne: Vielfalt für jeden Geschmack

Im 20. Jh. erlebten Aufstriche einen regelrechten Boom. Margarine wurde bereits 1869 als günstige Alternative zu Butter erfunden und fand schnell ihren Platz auf den Frühstückstischen. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten Produkte wie Erdnussbutter und Nutella ihren Siegeszug fort und wurden zu Massenfavoriten.

Ab den 1970er Jahren kamen vermehrt gesundheitsbewusste Alternativen auf den Markt, darunter Frischkäseaufstriche und pflanzenbasierte Varianten. Vegane Produkte werden aus Gemüse, wie Kichererbsen für Hummus, oder auf Hefebasis hergestellt. Besonders beliebt sind Aufstriche mit Paradeisern, Paprika, Pilzen und Linsen.

Einige Aufstriche haben in bestimmten Kulturen Kultstatus erreicht. Ein Beispiel dafür ist Vegemite, ein australischer Brotaufstrich, der 2022 sein 100-jähriges Jubiläum feierte. Ursprünglich als Nebenprodukt der Bierherstellung entwickelt, wurde Vegemite durch geschicktes Marketing zu einem Symbol der australischen Identität. Marmite, ein ähnliches Produkt, ist in Großbritannien und anderen Ländern beliebt.

Die Geschichte der Aufstriche zeigt, wie eng sie mit der Kultur und den Bedürfnissen ihrer Zeit verbunden sind. Ob als nahrhafter Hummus in der Antike, als Marmelade im Mittelalter oder als vegane Alternative heute – Aufstriche sind nicht nur praktisch, sondern auch ein Spiegel kulinarischer Traditionen und Trends.