Gefahr für das Taubenschwänzchen

Ein Artikel von Renate Stoiber | 20.06.2024 - 10:41
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Das Taubenschwänzchen steht bei der Nahrungsaufnahme wie ein Kolibri im Schwirrflug in der Luft und streckt den Rüssel in den Blütenkelch © Dirk Daniel Mann/Shutterstock.com

Grundsätzlich ist das Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarium) mit seinem langen Rüssel und dem Kolibri-artigen Schwirrflug perfekt auf die tiefen Blütenkelche der Dipladenia oder Mandevilla angepasst. Sie bieten ein großes Nektarangebot, das für die energieraubende Flugweise der Falter wichtig ist. Taubenschwänzchen nehmen ihre Nahrung nämlich im Flug auf, indem sie vor der Blüte wie ein Kolibri in der Luft stehend den Rüssel in den Kelch versenken und setzen sich nicht wie Tagfalter oder Hummeln auf die Blüte.

Blütenmechanismus als Falle

Immer öfter finden aufmerksame Menschen aber die kleinen, flinken Falter ermattet oder sogar tot in den farbenfrohen Blüten der Dipladenia vor. Die bleiben nämlich tief in den Blütenkelchen an den nach unten gerichteten Borstenhaaren der Staubgefäße mit dem Rüssel hängen und können sich nur schwer wieder daraus befreien. Die Haare sollen dafür sorgen, dass nicht nur der Nektar genossen wird, sondern auch die Bestäubung gewährleistet ist. Am Kopf des Bestäubers bleibt Pollen hängen, der dann so zur nächsten Blüte transportiert wird.

Während ihres Schwirrflugs verbrauchen die Taubenschwänzchen beim Befreiungsversuch aber viel Energie, besonders wenn sie mehrere solcher Blüten nacheinander besuchen. Dabei kann der Falter so viel Energie verbrauchen, dass die Kräfte nachlassen und er noch in der Blüte verendet. Andere Bestäuber haben die Möglichkeit, auf der Blüte sitzend abzuwarten und sich langsam zu befreien, das Taubenschwänzchen aber nicht.

Das Problem resultierte aus der fehlenden Co-Evolution, dass sich also die tropische Pflanze und der Nachtfalter (der uncharakteristischer Weise tagaktiv ist) nicht wie andere Bestäuber-Pflanzen-Paare in der Entwicklung aufeinander eingestellt haben. Die in den Tropen bestäubenden Kolibris sind stärker und können sich leichter von der Blüte losreißen.

Andere Pflanzen mit ähnlichen Mechanismen

Ähnliche Vorkommnisse sind auch schon an Araujia sericifera festgestellt worden, die den passenden deutschen Namen „Folterpflanze“ trägt und wie die Dipladenia zu den Hundsgiftgewächsen zählt. Sie heißt auf Englisch „moth catcher“, was auf den Mechanismus der Klemmfalle hindeutet, mit dem sie den bestäubenden Schmetterling festhält, bis die Bestäubung erfolgt ist. Und auch von rosa blühende Nachtkerzenarten ist bekannt, dass Taubenschwänzchen hängen bleiben.

Erfahrungen von Gartenbesitzern zeigen zwar, dass anscheinend bei nassen Verhältnissen keine Probleme bestehen und festhängenden Faltern auch mit Wassertropfen geholfen werden konnte, wer aber das Taubenschwänzchen wirklich unterstützen möchte, sollte auf die angesprochenen Pflanzen besser verzichten. Es gibt allerdings Alternativen, die den schnellen Schwirrern ebenfalls ein gutes Nektarangebot bieten: Verbenen, Lantanen, Fuchsien, Schmetterlingsflieder oder Ziertabak. Mehr zum „europäischen Kolibri“ und seinen Nektarpflanzen finden Sie bei uns auch im Artikel „Was macht der Kolibri im Blumenbeet?“ 

Für weitere Informationen: Fremdländische Zierpflanzen als Falterfallen?